Geschichte der Sammlung
Die Sammlung wurde etwa zwischen 1950 und 1965 am damaligen II. Mathematischen Institut der Humboldt-Universität – Direktor Prof. Kurt Schröder – von W. Kramer unter Mitarbeit von H. Kaiser entwickelt. Dazu richtete man eine Werkstatt ein, in der G. Grohmann fast alle Modelle der Sammlung herstellte. Diese wurde durch mathematische Filme ergänzt, die H. Kaiser in Zusammenarbeit mit dem damaligen Deutschen Zentralinstitut für Lehrmittel produzierte. Sie wurden auf mehreren nationalen und internationalen Kongressen vorgeführt und ausgezeichnet. Die Modellsammlung war ständig in beleuchteten Vitrinen im Mitteltrakt und den Seitenflügeln des zweiten Stockes des Universitätshauptgebäudes, Unter den Linden 6, ausgestellt. Damals befand sich noch ein Lichthof gegenüber dem Karl-Weierstraß-Hörsaal, der als Mittel- und Orientierungspunkt der Ausstellung fungierte. Die Ausstellung fand bei allen in der Humboldt-Universität stattfindenden Tagungen – besonders auch während der 150-Jahrfeier 1959 – lebhaftes Interesse. So entstand die Idee, einige der zahlreichen Unikate in kleinen Serien zu reproduzieren. Für diese Aufgabe konnte die Fa. Rudof Stoll KG, Berlin NO 18, Oderbruchstraße 8-14, gewonnen werden.
Vorbild für den Aufbau der Sammlung war der bekannte Katalog mathematischer und mathematisch-physischer Modelle, Apparate und Instrumente von W. Dyck. Man stützte sich auf die Zielsetzung, die Modelle einerseits im didaktischen Sinne einer „äußersten Ausnützung der Mittel unserer Auffassungskraft“ und andererseits als mathematische Instrumente herzustellen. Diese Ziele und Ansprüche hatte L. Boltzmann in seinem 1892 auf Einladung der Redaktion des Dyckschen Kataloges gehaltenen Vortrag „Über die Methoden der theoretische Physik“ vertieft. Wenn auch in der Sammlung des II. Mathematischen Institutes Modelle der ersten Art überwogen, waren doch auch solche der zweiten zahlreich vertreten. Hervorzuheben sind Modelle zur Schaltalgebra, welche in die Prinzipien der Arbeitsweise digitaler Rechner einführten, experimentell nutzbare Vergrößerungen mathematischer Instrumente (z.B. Planimeter und harmonischer Analysator) und zahlreiche Modelle zur Kinematik und zur angenäherten Synthese von Mechanismen, letzere auch zur Erläuterung und historischen Begründung der Tschebyscheffschen Approximationstheorie.
Kurt Schröder war in der Zeit, über die hier berichtet wird, sehr an einer Modernisierung des mathematischen Hochschulunterrichtes interessiert und beabsichtigte, die Modellsammlung ganz in den Dienst dieser Reformbestrebung zu stellen. Dafür gab es zwingende Gründe.
Zunächst war dafür zu sorgen, dass die aus den Kriegswirren kommenden Studierenden schnell ihre Vorbildungsdefizite überwinden und anspruchsvollen akademischen Vorlesungen folgen konnten. Dann waren Ergebnisse der mathematischen Forschung, die während des Krieges z.T. unter Geheimhaltungsauflagen, jedenfalls aber unter gegenseitiger Abschottung erzielt und jetzt bekannt wurden, schnell und ohne auf Lehrbücher zurückgreifen zu können in die entsprechenden Fachvorlesungen zu integrieren. Vor allem betraf das Problemkreise der Rechentechnik, aber auch solche der Kybernetik und Systemtheorie. Schon damals war uns klar, dass die Absolventen wesentlich mathematisch beeiflusster Studiengänge ihr Hauptarbeitsfeld in der Industrieforschung finden würden. Damit wiederum hing zusammen, dass der Begriff der mathematischen Serviceleistung entdeckt und inhaltlich bestimmt wurde. In diesen Jahren sind an der Humboldt-Universität mit hoher Stundenzahl siebensemestrige Mathematikkurse für Physiker mit anerkanntem Erfolg durchgeführt worden. Als Kuriosum sei erwähnt, dass wir damals in Zusammenarbeit mit dem Stahlwerk Henningsdorf auch Diplomingenieure der Eisenhüttenkunde ausgebildet haben.
Bis zu meinem Weggang von Berlin nach Potsdam im Jahr 1966 wurde die Sammlung weiterentwickelt und war auch noch Jahre danach in einem gepflegten Zustand.
von Hans Kaiser